
Nachhaltigkeit durch Digitalisierung im Mittelstand - Chancen der Digitalisierung zur Erhöhung der Nachhaltigkeit in KMU-Anwendungsfällen – Ein Praxisbeitrag
Die Auswirkungen des rasanten technologischen Wandels in einem wettbewerbsintensiven globalen Markt beeinflussen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in einem zunehmenden Ausmaß. Die digitale Transformation erhöht die Vernetzung zwischen der Fertigung, Produkt und dem Kunden und erfordert gleichzeitig die Erweiterung des Wertangebots über den gesamten Lebenszyklus. Als weitere Herausforderung kommt die Notwendigkeit hinzu, trotz verkürzter Produktzyklen nachhaltiger zu agieren. Angesichts dieser Trends müssen die KMU sowohl ihre Geschäftsprozesse, als auch ihre technologische Ausstattung verbessern, um interne und externe Nachhaltigkeitsziele, z.B. basierend auf den UN Sustainable Development Goals, erreichen zu können, effizienter und effektiver auf dem Markt zu sein und die Bedürfnisse ihrer Kunden befriedigen zu können. In diesem Artikel werden die Chancen der Digitalisierung zur Erreichung dieser Ziele anhand zweier Anwendungsfälle aus KMU vorgestellt.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind zunehmend den globalen Marktentwicklungen zur Digitalisierung und Nachhaltigkeit ausgesetzt. Über 40 % des deutschen Bruttoinlandprodukts und 55 % aller Arbeitsplätze entfallen auf KMU, was die große Bedeutung dieser Unternehmen für die deutsche Wirtschaft verdeutlicht [1]. Dementsprechend ist es entscheidend, dass die deutschen KMU wettbewerbsfähig bleiben und bei der digitalen Transformation nicht ins Hintertreffen geraten. Daher müssen sie Markentwicklungen adressieren können, welche unter anderem die zunehmende Nachfrage der Kunden nach individuellen Lösungen [2], zunehmend dynamische Kundenanforderungen und Märkte [3, 4], europäische und nationale Nachhaltigkeitsziele basierend auf den Sustainability Development Goals der United Nations [5], sowie Erwartungen der Gesellschaft [6] und selbstverständlich wachsenden Kostendruck und unberechenbare und steigende Energie- und Rohstoffpreise umfassen.
Es ist für KMU wichtig, diese Marktentwicklungen zu adressieren, um den Anforderungen des Umfelds und den Bedarfen der Kundenseite gerecht zu werden und somit den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Allerdings sollten diese Entwicklungen nicht nur als Herausforderung gesehen werden, sondern auch als Chance das Unternehmen erfolgreicher zu machen. Nachfolgend werden am Beispiel von zwei Anwendungsbeispielen einige dieser Entwicklungen, im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Technologien, zur Verbesserung der Nachhaltigkeit eines Unternehmens näher erläutert.
Beispiele der Digitalisierung zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in KMU
Die Digitalisierung bietet viele Chancen für die nachhaltige Entwicklung von KMU, sowie von Großunternehmen. Die Autoren dieses Artikels stellen zwei Beispiele erfolgreich umgesetzter Digitalisierungsprojekte aus dem Mittelstand vor, um einen praxisnahen Eindruck von den Chancen der Digitalisierung für die Nachhaltigkeit zu vermitteln. Ferner sollen die Ansätze anderen Unternehmen Denkanstöße liefern und dazu anregen, anhand der Anwendungsfälle eigene Digitalisierungsvorhaben anzustoßen, um das eigene Unternehmen nachhaltiger aufzustellen.
Bild 1: Kanalbahnpresse Versuchsanalage aus dem vKBP Projekt [8].
Beispiel 1 – Künstliche Intelligenz (KI) zur Erhöhung der Effizienz in der Abfallsortierung
Situation:
Die Wiederverwertung von Abfallstoffen ist zu einem wichtigen Thema im Bereich der Nachhaltigkeit geworden und ist eine notwendige Praxis, damit die Gesellschaft die erforderliche Reduzierung der Kohlenstoffemissionen und des Ressourcenverbrauchs erreichen kann. Neue Gesetze, wie das Kreislaufwirtschaftsgesetz, stellen immer neue Anforderungen an das Recycling, bieten aber auch neue Geschäftsmöglichkeiten. Allein in Deutschland fallen jährlich insgesamt 6,3 Mio. Tonnen Kunststoffabfälle an, von denen 55% recycelt werden [7].
Sortieranlagen, wie die der Sutco Recycling Technik GmbH, sind Einrichtungen die für die Trennung von Abfällen in ihre verschiedenen Bestandteile zuständig sind, die dann von Herstellern wiederverwendet oder von Aufbereitungsanlagen zu alternativen Brennstoffen für Kraftwerke verarbeitet werden. Die verarbeiteten Materialien müssen in der Regel über weite Strecken transportiert werden. Um die Transportkapazitäten effizient zu nutzen, werden verschiedene Materialien, wie Papier, Aluminium, Weißblech, Flüssigkeitskartons und Kunststofffolien, mit einer als Kanalbahnpresse bekannten Maschine zu Ballen gepresst (Bild 1).
Kanalbahnpressen sind meist nicht vollautomatisch, sondern erfordern eine manuelle Einstellung verschiedener Betriebsparameter. Aufgrund der sich ständig ändernden Materialien werden selten die idealen Betriebsparameter eingestellt, was dazu führt, dass mehr Pressenergie verbraucht wird als tatsächlich benötigt wird, dass die Ballen ungewünscht aus verschiedenen Materialien bestehen und, dass Ballen in der falschen Größe produziert werden.
Ziel:
Ziel des Projekts war es, eine konventionelle Kanalbahnpresse zu einer vollautomatischen Presse aufzurüsten, wobei zwei Digitalisierungslösungen eingesetzt wurden, die beide auf maschinellem Lernen basieren. Zum einen eine Bilderkennungseinheit zur Identifizierung verschiedener Materialien, um den notwendigen Luftdruck zur Verdichtung des Materials zu bestimmen und die korrekte Größe der Ballen zu gewährleisten. Zweitens eine Einheit zur Optimierung der Betriebsparameter auf der Grundlage eines maschinellen Lernmodells des Produktionsprozesses, mit dem automatisch die Betriebsparameter zur korrekten Herstellung jedes Ballens bei gleichzeitiger Minimierung des Energieverbrauchs bestimmt werden.
Vorgehensweise:
Die Bildverarbeitungseinheit wurde mit Hilfe von 2D- und 3D-Kameras entwickelt, um Bilder von den Materialien und den Ballen zu sammeln. Diese wurden dann als Eingabedaten für einen maschinellen Lernalgorithmus verwendet, der Materialien, Dimensionen und andere visuelle Qualitätsmerkmale der Ballen erkennen kann (Bild 2).