Innovationen im Zeitalter der Digitalisierung

Roman Dumitrescu und Jürgen Gausemeier

Aus der Digitalisierung eröffnen sich faszinierende Chancen. Allerdings müssen wir erkennen, dass wir mehr als die Technologieführerschaft benötigen, um zu reüssieren. Es muss uns gelingen, die Technologieführerschaft, die wir u. a. auf dem Gebiet Industrie 4.0 haben, in Wertschöpfung, Unternehmenserfolg und Beschäftigung zu transformieren. Die wesentlichen Hebel dafür sind datenbasierte Dienstleistungen, Geschäftsmodelle, Positionierung in der Plattformökonomie, Unternehmensgründungen, die Gestaltung der Arbeitswelt und last, but not least Systems Engineering. In jedem Fall wird es mehr denn je auf strategisches Agieren und systemisches Denken und Handeln ankommen.

Häufig ist im beginnenden Zeitalter der Digitalisierung von Disruption und Revolution die Rede und davon, dass die Dinge anders als bisher üblich anzupacken sind. Das ist wahr, aber zum Teil auch übertrieben. Wir bringen zu Beginn drei Hypothesen, die den Duktus des vorliegenden Beitrags verdeutlichen.
1. Die Digitalisierung ist die vorhersehbare Fortsetzung der technologischen Entwicklung seit den Anfängen der elektronischen Datenverarbeitung und keine unvermittelte Heimsuchung.
2. Wir überblicken die Wirkmechanismen der Digitalisierung und kennen die wesentlichen Hebel, wenngleich es mehr denn je auf systemisches Denken ankommt, wozu wir sehr untalentiert sind.
3. Auf dem Weg in die Digitalisierung sind neue Denkweisen erforderlich, wie das erwähnte Systemdenken. Aber viele alte Denkweisen gelten nach wie vor – beispielsweise die Fähigkeit, strategisch zu denken und zu handeln.

Was verstehen wir unter Intelligenz?

Bei der Digitalisierung geht es um komplexe soziotechnische Systeme, um intelligente Systeme. Kaum ein Begriff wird so inflationär verwendet wie „Intelligent“; das Synonym „Smart“ hilft auch nicht weiter. Es bringt auch nichts, all das, was wir als neu empfinden, mit einem „4.0“ zu versehen. Lassen Sie uns kurz beispielhaft erklären, was wir im Kontext Technische Systeme unter Intelligenz verstehen und was es mit den weiteren, verwandten Begriffen auf sich hat.
Den Ausgangspunkt bilden sogenannte aktive Systeme: d. h. Sensoren erfassen den Zustand eines mechanischen Grundsystems, bspw. ein rutschendes Auto. Davon ausgehend ermittelt ein Bordcomputer Stellsignale für die Aktoren, die wiederum auf das Grundsystem wirken und so ein sicheres Verhalten des Systems gewährleisten. Ein typisches Beispiel ist das ESP eines PKW.
Auch wenn die Werbung so etwas als intelligent bezeichnet, ist das nicht wirklich intelligent im Sinne der Kognitionswissenschaft. In Richtung Intelligenz geht es, wenn das Auto beispielsweise weiß, wann es von einer Geschwindigkeitsregelung auf eine Abstandsregelung umschalten muss. Wir bezeichnen das als Konditionierung. Wirklich intelligent ein System, wenn es den Weg zu einer Lösung plant, zunächst vorgegebene und widersprüchliche Ziele, wie Reisezeit, Komfort und Energiebedarf, aufgrund von äußeren Einflüssen autonom modifiziert und vor allem aus der Bewältigung von unvorhergesehenen Problemsituationen lernt. Stellen wir uns vor, dass jährlich 50 Millionen Fahrzeuge mit diesen Fähigkeiten auf den Markt kommen und ihr durch Lernen erworbenes Wissen mit anderen Fahrzeugen ständig austauschen. Dann würden Maschinen in kurzer Zeit besser fahren als Menschen. Das wäre das Ende des manuellen Fahrens, das würde es allenfalls noch in Reservaten geben.
Wenn nun intelligente physische Systeme über das Internet miteinander kommunizieren und kooperieren, sprechen wir von Cyber-Physischen Systemen. Das Konzept Cyber-Physische Systeme bildet die Basis für viele Anwendungen, die alle mit „Smart“ beginnen: Smart Mobility, Smart Health, Smart Product, Smart Factory usw. Selbstredend können Cyber-Physische Systeme auch über die Grenzen dieser Anwendungsbereiche hinweg kommunizieren und kooperieren. So kann sich beispielsweise ein intelligentes Produkt, das weiß, was mit ihm geschehen ist, was sein Zweck ist und was mit ihm noch zu geschehen hat, seinen Fertigungsbetrieb oder seinen Logistikdienstleister aussuchen. Angesichts der Gegebenheit, dass schon heute Milliarden von Objekten, Systeme u. ä. mit dem Internet verbunden sind, sind die Möglichkeiten dieser Entwicklung nur durch unsere Phantasie begrenzt.
Die Notwendigkeit, Phantasie zu entwickeln und kreativ zu sein, gilt ganz besonders für die Gestaltung der industriellen Produktion. Hier ist unter dem Begriff Industrie 4.0 eine Entwicklung zu verzeichnen, die in einigen Jahren in der Rückschau möglicherweise als die vierte industrielle Revolution eingestuft wird. Wir verstehen unter Industrie 4.0 die Fähigkeit der ad hoc-Vernetzung von intelligenten Maschinen, Betriebsmitteln, Produkten bzw. Werkstücken sowie Lager- und Transportsystemen via Internet zu leistungsfähigen Wertschöpfungsnetzwerken. Die Protagonisten von Industrie 4.0 versprechen sich daraus eine Fülle von Vorteilen – dass beispielsweise ein kundenindividuelles Erzeugnis zu den Herstellkosten eines Großserienerzeugnisses produziert werden kann, und das in kürzester Zeit und unter minimalem Ressourceneinsatz. Industrie 4.0 scheint ein mächtiger Hebel zu sein, an einem Hochlohnstandort wirtschaftlich zu produzieren. Bei allem, was wir heute wissen und zum Teil schon erproben, ist da etwas dran. Vor diesem Hintergrund gibt es gute Gründe, beharrlich, klug und evolutionär voranzuschreiten.
 


Bild 1: 4-Ebenen-Modell der zukunftsorientierten Unternehmensgestaltung [1].

Nach wie vor kommt es auf strategisches Agieren an

Allerdings drängt sich die Frage auf, ob wir mit Industrie 4.0 Geld verdienen können? Wir fragen bewusst so simpel, weil es Anzeichen gibt, dass wir Deutschen mal wieder auf dem Weg zur Technologieführerschaft sind, aber andere den unternehmerischen Erfolg einfahren werden. Wie uns das gelingen kann, möchten wir gern anhand einer einfachen, einleuchtenden Grundstruktur der zukunftsorientieren Unternehmensgestaltung erläutern; diese Grundstruktur weist vier Ebenen auf (Bild 1):
Auf der obersten Ebene geht es um die Vorausschau; d. h. wir antizipieren denkbare Entwicklungen von Märkten, Technologien und Rahmenbedingungen und gewinnen so Vorstellungen von den Erfolgspotenzialen von morgen, aber auch von den Bedrohungen des etablierten Geschäfts von heute.
Davon ausgehend ist eine Strategie zu entwickeln, die beschreibt, wie ein Unternehmen in der Wettbewerbsarena von morgen eine vorteilhafte Positionierung erreichen will und welche Marktleistungen es mit welchen Geschäftsmodellen anbieten will.
Auf der nachfolgenden dritten Ebene sind die Geschäftsprozesse zur Operationalisierung der Strategie zu definieren.
Und erst am Ende, auf der untersten Ebene, ist festzulegen, wie die wohlstrukturierten strategie- und geschäftsmodelldienlichen Prozesse durch Informations- und Kommunikationstechnik wirkungsvoll unterstützt werden können.
Selbstredend beeinflusst die Digitalisierung alle vier Ebenen, aber der Schwerpunkt liegt auf der untersten Ebene. Wenn wir nun Industrie 4.0 primär als technologische Herausforderung sehen, springen wir zu kurz und erreichen nicht den unternehmerischen Erfolg. Industrie 4.0 wird dann ein voller Erfolg werden, wenn wir ausgehend von den faszinierenden Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik der Reihe nach folgende Fragen positiv beantworten können:
1. Sind die zu unterstützenden Geschäftsprozesse definiert?
2. Folgen die Geschäftsprozesse einer überzeugenden Geschäftsstrategie und einem innovativen Geschäftsmodell?
3. Beruhen Geschäftsstrategie und Geschäftsmodell auf einer Vision im Sinne eines Zukunftsentwurfs?
Vor diesem Hintergrund muss eine nachhaltig erfolgreiche Digitalisierungsstrategie zwei Herausforderungen genügen. Erstens benötigen wir die Technologieführerschaft; wir haben sie und müssen sie energisch ausbauen. Zweitens muss es uns gelingen, die Technologieführerschaft in Wertschöpfung, Unternehmenserfolg und Beschäftigung zu transformieren.

Hebel für eine erfolgreiche Digitalisierung

Mit Blick auf Industrie 4.0 liegen die Haupthebel für das Gelingen dieser Transformation jenseits der klassischen technologiezentrierten industriellen Produktion, und zwar in den Bereichen datenbasierte Dienstleistungen, Geschäftsmodelle, Plattformökonomie, Unternehmensgründungen, Gestaltung der Arbeitswelt und Systems Engineering.
Datenbasierte Dienstleistungen: Die Produkte und Systeme von morgen liefern via Internet unzählige Daten. Diejenigen sind im Vorteil, die erfasste Daten in attraktive Dienstleistungsangebote für ihre Kunden überführen können und so ihre Sachleistungen um datenbasierte Dienstleistungen ergänzen. So kann beispielsweise ein Lieferant von Hochleistungspumpen eine präventive Wartung anbieten, die genau zum richtigen Zeitpunkt kommt – nicht zu früh und auch nicht zu spät. Das spart auf beiden Seiten Zeit und Geld.
Geschäftsmodelle: Vereinfacht ausgedrückt beschreibt ein Geschäftsmodell, wie ein Unternehmen seinen Kunden Nutzen stiftet und diese dazu motiviert, dafür Geld zu zahlen. Gerade im Kontext der datenbasierten Dienstleistungen ist das sehr wichtig, weil die Kunden bislang gewohnt sind, nur für Sachleistungen zu zahlen. Unternehmen sehen sich also mit der Herausforderung konfrontiert, ihre etablierten Geschäftsmodelle zu überprüfen und ggf. zu innovieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl innovativer Geschäftsmodelle auf der geschickten Rekombination bekannter Lösungen basiert. Daher haben wir gemeinsam mit der Industrie ein umfassendes System an Geschäftsmodellmustern geschaff en, das es Unternehmen ermöglicht, bekanntes Lösungswissen direkt in eigene Geschäftsmodelle einfl ießen zu lassen. Derartige Geschäftsmodellinnovationen ermöglichen es Unternehmen, ihre technologische Spitzenposition in Wettbewerbsvorteile umzusetzen [2].
Plattformökonomie: Kaum ein Gebiet weist im Zuge der Digitalisierung so viel Disruptionspotenzial auf wie digitale Plattformen. Nachdem es im B2C-Bereich mit Plattformen wie Amazon und Airbnb schon zu gravierenden Veränderungen in der Wettbewerbsarena kommt, steht der B2B-Bereich an der Schwelle zur sogenannten Plattformökonomie. Im Maschinenbau versuchen Vorreiter wie Claas und Trumpf mit eigenen Plattformen das Heft des Handelns in die Hand zu bekommen. Das ist aber für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kaum eine Erfolg versprechende Option, da diesen häufi g das Know-how und die Ressourcen fehlen, um eigene Plattformen aufzubauen. Es wird zu einem Shake Out unter den Plattformanbietern kommen, den wenige Große überleben werden. Für KMU zeichnet sich schon jetzt die Bedrohung ab, dass sie den direkten Kundenkontakt verlieren und zu austauschbaren Ausführern werden. Dies wird durch eine Untersuchung von acatech unterstrichen, worin im Zeitalter der Plattformökonomie der Verlust des Kundenzugangs als größtes Risiko herausgestellt wird [3]. Im Grunde fehlt insbesondere den mittelständisch geprägten Unternehmen eine Strategie zur vorteilhaften Positionierung in der künftigen Plattformökonomie. Erste einfache Ansätze hierfür sind zwar vorhanden, beispielsweise das „Geschäftsmodell-Technologie- Portfolio“ [4], das „Business Model Transformation Board“ [5] oder die acht Strategien zur Überwindung des Henne-Ei-Problems aus dem Buch „Platform Revolution“ [6], die Verbreitung dieser Ansätze im produzierenden Gewerbe ist jedoch gering [3]. Grundlage und Ansatzpunkt für eine entsprechende strategische Ausrichtung kann ein systematischer Blick in die Zukunft mithilfe der Szenario-Technik sein [7].
Unternehmensgründungen: Vieles deutet darauf hin, dass die heute etablierten Unternehmen den Wandel durch Digitalisierung bewältigen werden. Die Frage ist nur: Werden die etablierten Unternehmen das Potenzial an Wertschöpfung und neuen Arbeitsplätzen schnell genug voll ausschöpfen? Wir sind gut beraten, die Anpassung der etablierten Unternehmen an die Digitalisierung durch eine wirkungsvolle Unternehmensgründungsoff ensive zu ergänzen, die neuen Unternehmen insbesondere in der Wachstumsphase einen starken Schub verleiht.
Gestaltung der Arbeitswelt: Im Moment tappen wir bei der Frage, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen wird, zum Teil noch etwas im Dunkeln. Aber wir wissen, dass es keine Lösung sein wird, den Heizer auf der Elektrolok mitfahren zu lassen, aber auch, dass es sehr viele Erfolg versprechende Perspektiven gibt. Beispielsweise zeichnet sich ab, dass vielfach Bediener von Maschinen mehr Arbeitsinhalte in Richtung Entscheider übernehmen werden. Natürlich erkennen wir, dass wir künftig nicht so viel Entscheider benötigen, wie wir heute Bediener haben. Aber das war im Prinzip im Zuge der 3. industriellen Revolution genauso: Wo vorher einhundert Schweißer eine Autokarosserie schweißten, betreuen heute einige Spezialisten eine hochautomatisierte Schweißstraße. Einen neuen Ansatz drückt der Fachbegriff Augmentation aus, was u. a. Anreicherung, Erweiterung bedeutet. Bislang stellen wir im Kontext der klassischen Automatisierung die Frage, welche heute noch von Menschen erledigten Aufgaben bald von Robotern wirtschaftlicher bearbeitet werden können. Stattdessen liegt es inzwischen nahe, zu fragen, welche neuen Leistungen Menschen mit Unterstützung intelligenter Roboter erbringen könnten. Statt der Bedrohung durch Automation würden wir dann die Chance durch Augmentation, also durch Erweiterung unserer Fähigkeiten, erkennen können [8]. Die Reihe der Ansätze für eine Gestaltung der Industrie 4.0-Arbeitswelt ließe sich nahezu beliebig fortsetzen. Wenn wir die off ensichtlichen Möglichkeiten für bessere Arbeit wahrnehmen wollen, dann muss das von Beginn an im engen Dialog mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erfolgen.
 


Bild 2: Referenzmodell der Marktleistungsentstehung, Hauptaufgaben von Advanced Systems Engineering.

Hidden Driver Systems Engineering

Die Systeme von heute und morgen beruhen auf dem engen Zusammenwirken von vielen Fachdisziplinen, wie Elektronik, Informatik und Maschinenbau. Keine Fachdisziplin kann für sich in Anspruch nehmen, ein komplexes technisches System allein zu entwickeln; die heute etablierten Entwicklungsmethodiken sind fachgebietszentriert. Innovationserfolge als Voraussetzung für Wohlstand und Beschäftigung werden sich auf Dauer nur dann einstellen, wenn wir in der Lage sind, in großem Stil komplexe technische Systeme professionell zu entwickeln und von Beginn an die Akzeptanz der Stakeholder zu erhalten. Es ist eine Denk- und Handlungsweise erforderlich, die das multidisziplinäre System in den Mittelpunkt stellt, die Interaktion mit den Stakeholdern fördert und das in Entstehung befindliche System für die Anwender erlebbar macht. Systems Engineering hat das Potenzial, die Kreation der technischen Systeme von morgen auf eine neue Basis zu stellen. Mit Blick auf die heimische Wirtschaft ergibt sich die grundlegende Fragestellung, wie die Entstehung von digitalisierten Marktleistungen von morgen organisiert werden muss, um zukünftig am Hochlohnstandort Deutschland erfolgreich agieren zu können. Eine Reihe von Untersuchungen im Kontext der Digitalisierung wie „Forschungsagenda der Plattform Industrie 4.0“ [9], „Autonome Systeme“ [10], „Industrie 4.0 – Internationaler Benchmark, Zukunftsoptionen, Handlungsempfehlungen für die Produktionsforschung (INBENZHAP)“ [11], aber auch der Spitzencluster „Intelligente Technische Systeme OstwestfalenLippe (it´s OWL)“ und die jährliche Ermittlung der acatech Zukunftsthemen unterstreichen das und fordern eine neue Schule des Entwurfs der technischen Systeme von morgen.
Die Marktleistungsentstehung wird mehr denn je Dreh- und Angelpunkt zur Sicherung des Erfolgs der hier primär betrachteten Branchen wie Maschinenbau, Elektroindustrie, Automobilindustrie und Medizintechnik sein. Die Digitalisierung betrifft alle vier Hauptaufgaben der Produktentstehung – Strategische Produktplanung, Produktentwicklung, Dienstleistungsentwicklung und Produktionssystementwicklung – und erfordert deren Integration, um sicherzustellen, dass alle Möglichkeiten der Realisierung einer innovativen und überlegenen Marktleistung ausgeschöpft werden (Bild 2).
Vor diesem Hintergrund geht mit der Digitalisierung der Produkte bzw. der Marktleistungen die Digitalisierung der Produktentstehung einher. Die einzelnen Tätigkeiten der Produktentstehung sind zunehmend vernetzt und werden mehr denn je durch IT-Werkzeuge unterstützt. Entsprechend verändern sich Prozesses, Methoden, Organisationsstrukturen und insbesondere die Form der Zusammenarbeit. Vor diesem Hintergrund zeichnen sich sieben Hebel zur Stärkung der Innovationskraft ab: 1) Kreativität, die beim Endbenutzer ansetzt; 2) Agilität, die ein flexibles, proaktives Agieren fördert; 3) Daten- und Modell-zentriertes Arbeiten im Sinne von Model Based Systems Engineering (MBSE); 4) Virtualisierung, d. h. die konsequente Bildung und Analyse von digitalen Modellen mit dem Ziel des sog. „Digitalen Zwilling“ als Gegenstück zum real operierenden System; 5) Digitale Durchgängigkeit in der Produktentstehung und den weiteren Phasen des Produktlebenszyklus; 6) Assistenzsysteme, die Routineaufgaben in der Marktleistungsentwicklung übernehmen und die Konsistenz der Entwicklungsinformationen sichern, 7) Kommunikation und Kooperation sowohl der Fachleute in der Marktleistungsentstehung als auch auf der Metaebene mit den Stakeholdern.
Systems Engineering bildet die Basis für eine durchgängige, fachdisziplinübergreifende Schule der Entwicklung technischer Systeme, die vom Ansatz her alle relevanten Entwurfsaspekte, wie Resilienz, Security, Sustainability, Usability, Herstellbarkeit, Wartung und Geschäftsmodell, aber auch Aspekte, wie Anforderungen, Funktionalität, Verhalten und Gestalt ins Kalkül zieht. Um diesen Anspruch einzulösen, benötigen wir eine konzertierte Kampagne von Hochschulen und Industrie, die auf den Grundprinzipien der Systemtechnik beruht und ein Instrumentarium zur Entwicklung der Systeme von morgen hervorbringt, was mit dem Begriff Advanced Systems Engineering zum Ausdruck gebracht wird. Die Bewältigung dieser Herausforderung sichert die Zukunft des Entwicklungsstandorts Deutschland und somit auch des Produktionsstandorts.
Wir hoffen, unsere Leser und Leserinnen für die eingangs genannten Hypothesen gewonnen zu haben. Die Sache lässt sich wie folgt auf den Punkt bringen: Wir sind gut aufgestellt, die faszinierenden Chancen der Digitalisierung wahrzunehmen und die Bedrohungen zu überwinden. Wir werden Erfolg haben, wenn wir locker bleiben, den Unternehmenserfolg und gute Arbeit fest im Blick behalten sowie systemisch denken und handeln.

Schlüsselwörter:

Digitalisierung, Advanced Systems Engineering, Geschäftsmodelle, Plattformökonomie

Literatur:

[1] Gausemeier, J.; Plass, C.: Zukunftsorientierte Unternehmensgestaltung. München 2014.
[2] Gausemeier, J.; Wieseke, J.; Echterhoff, B.; Isenberg, L.; Koldewey, C.; Mittag, T.; Schneider, S.: Mit Industrie 4.0 zum Unternehmenserfolg – Integrative Planung von Geschäftsmodellen und Wertschöpfungssystemen. Paderborn 2017.
[3] Engels, G; Plass, C.; Rammig, F.J.: IT-Plattformen für die Smart Service Welt (acatech DISKUSSION). München 2017.
[4] Plass, C.; Gausemeier, J.; Drewel, M.: Ansatz für den Weg in die Plattformökonomie – Das Geschäftsmodell-Technologie- Portfolio. Paderborn 2017.
[5] Linz, C.; Müller-Stewens, G.; Zimmermann, A.: Fit für die Zukunft. In Harvard Business Manager 38 (2017) 7, S. 44-56.
[6] Parker, G. G.; van Alstyne, M. W.; Choudary, S. P.: Platform Revolution: How Networked Markets are Transforming the Economy – and How to Make Them Work for You. New York 2016.
[7] Drewel, M; Frank, M.; Gausemeier, J.: Optionen des Maschinenbaus in der Plattformökonomie von morgen. Paderborn 2017.
[8] Davenport, T. H.; Kirby, J.: Dein Freund, der Roboter. In: Harvard Business Manager 36 (2015) 9, S. 22-32.
[9] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Hrsg): Forschungsagenda Industrie 4.0 – Aktualisierung des Forschungsbedarfs, Langversion, Ergebnispapier. Berlin 2016.
[10] Fachforum Autonome Systeme im Hightech Forum (Hrsg): Autonome Systeme – Chancen und Risiken für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, Langversion, Abschlussbericht. Berlin 2017.
[11] Gausemeier, J.; Klocke, F. (Hrsg): Industrie 4.0 – Internationaler Benchmark, Zukunftsoptionen und Handlungsempfehlungen für die Produktionsforschung. Paderborn Aachen 2016.